Unsere Handlungen sagen unglaublich viel über uns selbst aus. Sie verraten, was wir können und nicht können und auch, wovon wir überzeugt sind und was für uns Bedeutung hat. Das ist in Ordnung so, aber es ist „zufällig“, wenn wir das nicht reflektieren. Lass mich das Thema anhand eines praktischen Beispiels greifbar machen. Dafür eignet sich das E-Mailpostfach. Was sagt es über uns aus und wie können wir Muster verändern?
Das eigene Mailpostfach sagt wahnsinnig viel über einen Menschen aus – egal, in welchem Unternehmen er tätig ist und welche Stellung er dort bekleidet. Die allermeisten Menschen sammeln ihre Mails, ihr Posteingang ist übermäßig voll. Hier gilt es als erstes zu hinterfragen, was dieser Mensch für ein Problem mit seiner Entscheidungsfähigkeit hat, denn: 100 im Maileingang hinterlassene Mails sind 100 nicht getroffene Entscheidungen. Ein solches Vorgehen lässt sich symbolisch auf alle anderen Lebensbereiche dieser Person übertragen.
Wenn wir es ganz sachlich betrachten, fällt jede Mail unter eine der folgenden Kategorien:
- Sie enthält eine Aufgabe, die es künftig zu erledigen gilt.
- Der Empfänger muss sofort auf sie reagieren.
- Sie beinhaltet eine Information, die der Empfänger möglicherweise irgendwann einmal brauchen kann.
- Es handelt sich um Trash.
Die meisten Menschen schaffen es, die Trash-Mails sofort zu löschen. Auch Nachrichten der Kategorie 2 werden meist als solche erkannt und sofort abgearbeitet – was nicht heißt, dass es sich um wichtige Mails gehandelt haben muss. Gerade mit diesen Mails gehen die meisten Menschen nach dem „Reiz-Reaktionsmuster“ um; unreflektiert reagieren sie auf diese Nachrichten, weil sie sie als besonders wichtig – weil dringend – ansehen. Mails der Kategorie 3 bleiben oft Monate oder Jahre im Postfach. Die Menschen tun sich scheinbar schwer damit, diese Informationen so zu kategorisieren, dass sie sie bei Bedarf wieder finden. Manchmal gibt es noch Unterordner im Posteingang – das wäre, als würden sie einen durcheinandergeratenen Haufen Unterlagen in verschiedenfarbige Folien sortieren. Ist ein bisschen ordentlicher, aber zweckmäßig ist es trotzdem nicht. Wichtig wäre, zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die jeweilige Information wieder gebraucht wird und wie sie genau in diesem Moment abrufbar ist. Diese Strukturen gibt es, sie werden nur kaum genutzt.
Dann ist da noch die Kategorie 1. Die Leute wissen, dass sie sich irgendwann mit dem Inhalt der Mail beschäftigen werden, entscheiden aber nicht, wann sie das tun. Die Mails sind wie Zettel mit zu erledigenden Aufgaben, die einfach auf dem Schreibtisch liegen bleiben. Die Menschen fahren also eine Vermeidungsstrategie – sie entscheiden nicht, für wann sie sich die Mails zur Wiedervorlage an einem bestimmten Termin speichern. Dann würden sie entscheiden, wann sie sich Zeit dafür nehmen. Aufgaben, die wir heute nicht erledigen, müssen aus dem Blickfeld verschwinden, bis wir sie erledigen. Es macht keinen Sinn, Informationen im Posteingang zu sammeln. Auch wenn Menschen etwa auf Unterlagen oder Antworten bezüglich einer Mail warten, bleibt der zugehörige Schriftverkehr im Posteingang – oder noch schlimmer, ausgedruckt in einer farbigen Folie am Schreibtisch. Dieser Mensch hat nicht entschieden, wann er nachfrägt, sollte er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Antwort erhalten. Er hat das Muster „Ich tu mal nichts, bis was passiert“ geöffnet und dieses Muster ist in den meisten Fällen ungünstig.
Vom Verharren im Nichtstun
Hier fehlt es an Arbeitssystematik. Die persönliche Haltung zur Erledigung von Aufgaben ist nicht wirklich effektiv und sinnvoll. Selbst wenn sich jemand in seinem Mail-Eingang und in der Zettelwirtschaft auf seinem Schreibtisch zurechtfindet und sauber sortiert, entscheidet er nicht, wann er die Sachen anpackt. In diesem Fall hoffen die Menschen auch darauf, dass sich die Dinge mit der Zeit vielleicht erledigen; dass Kunden sich etwa nicht mehr melden. Die Leute verharren im Nichttun – was nicht dasselbe ist wie Nichtstun.
Und wenn sie bei so einfachen Dingen wie Mails und Zetteln mit bestimmtem Inhalt nicht entscheiden, wie sie damit umgehen, sind sie meist auch in anderen Bereichen nicht entscheidungsfreudig und bleiben in der Reaktivität stecken. Ein solches Verhalten kann sich durch das ganze Leben ziehen. Es bleiben Dinge liegen, Sachen werden aufgeschoben, man geht Gesprächen aus dem Weg, man packt Probleme nicht an.
Ein volles Postfach ist ein Indiz für Entscheidungsschwäche – und die macht einem Schwierigkeiten im Leben. Diese Menschen könnten zum Beispiel an ihrem Maileingang arbeiten. Das würde sich auf andere Dinge auswirken oder zumindest dazu führen, dass sich die Leute derselben Schwächen in anderen Lebensbereichen bewusst werden.
Ein Volk von Nicht-Entscheidern
Die Deutschen sind zu einem Volk von Nicht-Entscheidern geworden. Da hilft es auch nicht, sich selbst zu belügen; eine in einen Unterordner verschobene Mail ist nichts anderes als eine Mail im Posteingang. Die Menschen müssen Aktualität und Ordnung herstellen – und sie so auch in ihr gesamtes Leben bringen. Langfristig zu denken und zu planen, ist wichtig. Wenn man eine Reise machen möchte, kann man die nötigen 5000 Euro ja auch nicht erst kurz vorher beschaffen. Einen Koffer erst am Morgen des Abflugs zu besorgen, macht genauso wenig Sinn, wie ihn sich schon ein viertel Jahr vor der Abreise auf den Schreibtisch zu stellen.
Logik, Struktur und die Entscheidung, wann was in welcher Qualität erledigt wird, sind nötig. Wer Ordnung in sein Leben bringt, kann sich viel Arbeitszeit sparen – und das schafft Lebensqualität, die Basis für souveräne Persönlichkeiten. Die berühmte Mail soll aufploppen, wenn sie gebraucht wird und nicht Monate sinnlos den Posteingang verstopfen. Aufgaben sollen dann auf unserem Bildschirm erscheinen, wenn sie erledigt werden und nicht ewig im Hintergrund Energie fressen und so letztendlich die Lebensqualität beeinträchtigen und die Persönlichkeit schmälern.
Packen wir es an und entscheiden wir – jetzt!